Was ist Inspiration?

Willem Johannes Ouweneel

© CLV, online seit: 18.03.2006, aktualisiert: 12.07.2018

Einleitung

In einem anderen Artikel hatten wir gesehen, dass bestimmte Bücher für kanonisch erklärt wurden, weil sich herausstellte, dass sie göttliche Autorität haben. Nun wollen wir noch einen Schritt weitergehen und zeigen, dass bestimmte Bücher deshalb göttliche Autorität haben, weil sie von Gott inspiriert wurden. Hinter dem Problem „kanonisch oder apokryph“ steckt also in Wirklichkeit die Frage nach der „Inspiration“. Darum werden wir uns nun mit diesem Thema befassen. Die Frage nach der Inspiration ist heute eine der fundamentalsten und aktuellsten Themen im christlichen Lager, weil viele andere Fragen, wie die Glaubwürdigkeit, Unfehlbarkeit und absolute Autorität der Bibel, direkt damit zusammenhängen. Vermittelt die Bibel uns göttliche Botschaften in menschlicher, also unvollkommener Form? Oder sind etwa alle einzelnen Wörter von Gott eingegeben und damit wichtig und unfehlbar? Waren die Bibelverfasser nur „Schreibmaschinen“, die blindlings registrierten, was Gott ihnen diktierte? Die Beantwortung dieser Fragen ist für die heutige Theologie von sehr großer Wichtigkeit, darum wollen wir uns jetzt mit ihnen befassen. Die Ausgangsbasis für unsere Forschungen ist natürlich die Bibel selbst, denn sie sagt ja an vielen Stellen von sich, dass sie von Gott inspiriert ist (wenn dieses Wort in unserer deutschen Übersetzung auch so nicht vorkommt). Die göttliche Eingebung ist nicht einfach eine Art „poetische Eingebung“, von der die Bibelverfasser Gebrauch machten, sondern vom Heiligen Geist getrieben, schrieben sie Worte nieder, die von Gott kamen. Am besten lässt sich das erkennen, wenn wir einige der betreffenden Schriftstellen, die im Neuen Testament von der Inspiration reden, näher betrachten.

Biblische Schlüsseltexte

Die wichtigste Stelle finden wir in 2. Timotheus 3,16:

2Tim 3,16: Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Aufdeckung der Schuld, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit.

Wir sehen, dass hier „der Schrift“ (ein für die Bibel bekannter Ausdruck: siehe u.a. Johannes 7,38.42; 10,35 (7:38) Wer an mich glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ „(7:42) Hat nicht die Schrift gesagt: Aus dem Geschlecht Davids und aus Bethlehem, dem Dorf, wo David war, kommt der Christus?“ „(10:35) Wenn er diejenigen Götter nannte, an die das Wort Gottes erging (und die Schrift kann nicht aufgelöst werden),“; Galater 3,8.22 „Die Schrift aber, voraussehend, dass Gott die Nationen aus Glauben rechtfertigen würde, verkündigte dem Abraham die gute Botschaft zuvor: „In dir werden gesegnet werden alle Nationen.““ „Aber die Schrift hat alles unter die Sünde eingeschlossen, damit die Verheißung aus Glauben an Jesus Christus denen gegeben würde, die glauben.“; auch für einzelne Bibelstellen gebraucht: siehe u.a. Lukas 4,21 „Er fing aber an, zu ihnen zu sagen: Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.“; Johannes 19,37 „Und wiederum sagt eine andere Schrift: „Sie werden den anschauen, den sie durchstochen haben.““; Apostelgeschichte 8,35 „Philippus aber tat seinen Mund auf, und anfangend von dieser Schrift verkündigte er ihm das Evangelium von Jesus.“) ein besonderes Kennzeichen gegeben wird. Dieses Kennzeichen ist, dass die Schrift „von Gott eingegeben“ ist. Im Griechischen ist das nur ein Wort: theopneustos, welches buchstäblich „gottgehaucht“ bedeutet. Das heißt erstens, dass die Schrift oder die „heiligen Schriften“ (2. Timotheus 3,15) von Gott „ausgehaucht“, d.h. von ihm ausgegangen sind; es sind seine Worte und so aufgeschrieben, wie er wollte. Und zweitens sind es Worte, die er „eingehaucht“ hat, d.h., er hat sie durch Menschen (Propheten und Apostel) schriftlich festlegen lassen: Das ist „der Odem des Allmächtigen“ (vgl. Hiob 32,8 „Jedoch der Geist ist es in den Menschen, und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht.“).

Die Inspiration ist also Gottes Werk, welches durch die Bibelverfasser ausgeführt wurde. Die Art und Weise wird uns in 1. Petrus 1,10.11 (10) eine Errettung, über welche die Propheten nachsuchten und nachforschten, die von der Gnade euch gegenüber geweissagt haben, (11) forschend, auf welche oder welcherart Zeit der Geist Christi, der in ihnen war, hindeutete, als er von den Leiden, die auf Christus kommen sollten, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte;“ näher erklärt:

1Pet 1,10.11: Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die auf euch kommen sollte, und haben geforscht, worauf oder auf was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in innen war und zuvor bezeugt hat die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach.

Hieraus lernen wir also Folgendes:

  1. dass die Inspiration durch das Wirken des Heiligen Geistes, der in den Bibelverfassern wirkte, geschah;
  2. dass die Autoren beim Niederschreiben der unfehlbaren Wahrheit, deren Erfüllung gesichert ist, vom Heiligen Geist geleitet wurden, und dass
  3. die Inspiration durch den Heiligen Geist so geschah, dass die menschlichen Verfasser manchmal selber nicht begreifen konnten, was diese von Gott eingegebenen Worte eigentlich bedeuteten.

In 2. Petrus 1,21 „Denn die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist.“ finden wir noch eine weitere wichtige Stelle, die über Inspiration spricht:

2Pet 1,21: Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht; sondern von dem Heiligen Geist getrieben haben Menschen im Namen Gottes geredet.

Hier erkennen wir, dass die Bücher der Bibel nicht in eigener Initiative des Verfassers geschrieben wurden, sondern dass die Propheten (im weiteren Sinn eine Bezeichnung für alle Bibelverfasser) vom Heiligen Geist „getrieben“, ja sogar buchstäblich „getragen und mitgeführt“ wurden wie die Blätter vom Wind. Inspiration ist „Getriebenwerden“ vom Heiligen Geist. Es soll durch seine Kraft geschehen, nicht nach den Überlegungen der Bibelverfasser, damit diese nicht ihre eigenen Gedanken niederschrieben, sondern die Gedanken Gottes, von ihm selbst stammend, zum Ausdruck brachten. Dann heißt es auch, „dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist“ (2. Petrus 1,20); es handelt sich um die Worte Gottes selber. Darum haben diese Worte auch göttliche Autorität, wie wir in 2. Timotheus 3,16 „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“ gesehen haben: „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Aufdeckung der Schuld, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit.“

Wir können unsere Definition von Inspiration noch etwas präzisieren: Die Bibel wurde in diesem Sinne inspiriert, dass vom Heiligen Geist getriebene Männer „gottgehauchte“ Worte geschrieben haben, die für die Menschen göttliche Autorität besitzen. Wir müssen beachten, dass 2. Timotheus 3,16 „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“ sagt, dass die Schrift inspiriert ist und nicht die Verfasser. In manchen Fällen werden die Bibelverfasser auch noch andere Bücher geschrieben haben, ohne dass diese deshalb als inspiriert anzusehen sind. Und die Verfasser haben, obwohl sie gläubig waren, auch manches falsch gemacht. Wir brauchen dabei nur an Mose, David oder Petrus zu denken. Nur die Bücher der Bibel, die sie verfassten, sind „gottgehaucht“; trotzdem waren die Autoren beim Schreiben ganz einbezogen, denn sie wurden „vom Heiligen Geist getrieben“, und wir lesen, dass „der Geist Christi in ihnen“ war. Es gibt also drei Elemente im Prozess der Inspiration:

  1. Die göttliche Verfasserschaft. Das Wort ist von Gott ausgegangen, „ausgehaucht“, es sind buchstäblich seine Worte, die in der Schrift niedergelegt sind; er selbst ist Quelle und Ursache der Heiligen Schriften.

  2. Das menschliche Werkzeug. Gott gebrauchte die Menschen, um sein göttliches Wort niederzuschreiben; diese Menschen fungierten nicht als „Schreibmaschinen“, denn sie hatten ihren eigenen Stil und Wortschatz (wie wir noch sehen werden). Gott gebrauchte ihre Persönlichkeit, um seine Gedanken zu offenbaren. Die Bibelverfasser hatten verschiedene Ausdrucksformen, wie beispielsweise eine Flöte und eine Oboe verschiedene Töne von sich geben; aber es war Gott, der diese Instrumente „bespielte“, damit sie die Melodien hervorbrachten, die er wollte (vgl. 1. Korinther 14,7 „Doch auch die leblosen Dinge, die einen Ton von sich geben, es sei Flöte oder Harfe, wenn sie den Tönen keinen Unterschied geben, wie wird man erkennen, was geflötet oder geharft wird?“ in anderem Zusammenhang).

  3. Das geschriebene Ergebnis. Das Produkt des „Bespielens“ Gottes und des „Getriebenseins“ der Verfasser ist ein geschriebenes Buch von göttlicher Autorität. Dieses Buch hat laut 2. Timotheus 3,16 „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“ das letzte Wort in dogmatischen, moralischen und anderen Fragen. Nicht alles, was die Bibelverfasser gesagt oder geschrieben haben, hat diese Autorität; denn genau genommen sind nicht die Verfasser inspiriert, sondern die „heiligen Schriften“, die sie niedergeschrieben haben, sind „gottgehaucht“.

Unterschied zwischen Offenbarung und Erleuchtung

Es gibt noch eine andere sehr wichtige Schriftstelle über Inspiration. Diese wirft gleichzeitig ein Licht auf die zwei Begriffe „Offenbarung“ und „Erleuchtung“. Zwischen diesen beiden Begriffen und der Inspiration gibt es einen krassen Unterschied. In 1. Korinther 2,10-16 lesen wir:

1Kor 2,10-16: Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit. Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, als allein der Geist des Menschen, der in ihm ist? So weiß auch niemand, was in Gott ist, als allein der Geist Gottes. Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist. Und davon reden wir auch nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Sachen für geistliche Menschen. Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit, und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich verstanden sein. Der geistliche Mensch aber ergründet alles und wird doch selber von niemand ergründet. Denn, wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen? Wir aber haben Christi Sinn.

In dieser wichtigen Stelle wird der Reihe nach über das gesprochen, was wir schon in Offenbarung, Inspiration und Erleuchtung eingeteilt haben. Bei allen drei Bezeichnungen spielt der Heilige Geist die entscheidende Rolle.

  1. Erstens hat Gott, durch seinen Geist, den Gläubigen die Wahrheit offenbart (entfaltet, enthüllt, bekanntgemacht). Gott kennt ja die Tiefen seiner selbst und ist demnach auch imstande, sie uns zu offenbaren.
  2. Zweitens sehen wir dann, dass der Heilige Geist die Wahrheit nicht nur entfaltet, sondern auch in den Personen gewirkt hat, zu denen die Offenbarung kam, also hier in den Aposteln. Sie haben den Geist aus Gott empfangen, so dass sie nicht nur die Wahrheit hörten, sondern auch wussten, was ihnen von Gott aus Gnade geschenkt worden war. Darum redeten sie mit Worten, die ebenso von diesem Geist gewirkt, d.h. inspiriert waren. Weil es derselbe Gott ist, der dies alles bewirkt, sind die Schriften dieser Apostel also ebenso rein, ebenso inspiriert und autoritativ wie die Offenbarung, die sie bekamen.

Wir stoßen in 1. Korinther 2,13 „die wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel.“ noch auf eine Übersetzungsschwierigkeit. Es scheint aber, dass wir den Schluss von Vers 13 („und deuten geistliche Sachen für geistliche Menschen“) im Zusammenhang gesehen am besten folgendermaßen übersetzen sollten:

  1. „so dass wir geistliche Sachen durch geistliche Worte mitteilen“; oder
  2. „und deuten Geistliches (Sachen) für Geistliche (Menschen)“.

In der ersten Übersetzung geht es um die Inspiration: Die geistlichen Dinge, über die die Verfasser der Bibel reden, sind nicht in menschlich-unvollkommener Form verfasst, sondern in geistlichen, also von Gott inspirierten Worten. Die „Form“ ist ebenso autoritativ und unfehlbar wie der „Inhalt“ (falls wir diese Begriffe wirklich voneinander trennen können), denn beide sind geistlich, von Gottes Geist gewirkt. In der zweiten Übersetzung geht es um die Erleuchtung: Nicht jeder Mensch kann geistliche Wahrheiten verstehen, sie können nur geistlich denkenden Menschen zugänglich gemacht werden. Das bedeutet (wie die Verse 14-16 weiter erklären), dass der Geist Gottes nicht nur für die Offenbarung von Gottes Wahrheit und für die Inspiration der heiligen Schriften nötig ist, sondern dass auch diejenigen, die Gottes Wort empfangen, seinen Geist brauchen. Der Bibelleser muss „geistlich“ sein, erleuchtet vom Heiligen Geist, denn die Wahrheit kann nur „geistlich“, durch das Licht des Heiligen Geistes, beurteilt und verstanden werden. Wer diese geistliche Erleuchtung besitzt, hat „Christi Sinn“ (das rechte Verständnis).

Die Inspiration unterscheidet sich also von der Offenbarung und der Erleuchtung. Gott hat „vorzeiten manchmal und auf mancherlei Weise geredet zu den Vätern durch die Propheten“ (Hebräer 1,1) – das ist eine Offenbarung; aber wenn alle diese Propheten ihre gesamten Offenbarungen einfach aufgeschrieben hätten, wären daraus nicht ohne weiteres „Heilige Schriften“ entstanden. Dazu war außer der Offenbarung die „Inspiration“ notwendig. Offenbarung ist die göttliche Enthüllung der Wahrheit, Inspiration ist die göttliche Niederschrift der Wahrheit. Einerseits wurde den Propheten viel offenbart, was nicht in inspirierten Schriften festgelegt wurde; andererseits gibt es eine Menge inspirierter Schriften in der Bibel, die keine neue Offenbarung enthalten. Aber es besteht auch ein Unterschied zwischen Inspiration und Erleuchtung. Die Inspiration der Schrift ist nicht zugleich eine Garantie dafür, dass diejenigen, die darin lesen, sie auch verstehen werden. Dazu ist Erleuchtung des Herzens und des Verstandes notwendig (vgl. Lukas 24,31.32.45 (31) Ihre Augen aber wurden aufgetan, und sie erkannten ihn; und er wurde ihnen unsichtbar. (32) Und sie sprachen zueinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er auf dem Weg zu uns redete und als er uns die Schriften öffnete?“ „Dann öffnete er ihnen das Verständnis, die Schriften zu verstehen,“). Wie wir schon sahen, verstanden sogar die Bibelverfasser nicht alles, was sie niederschrieben. Und doch waren ihre Schriften vollkommen inspiriert. Es gibt wohl verschiedene Stufen der Erleuchtung, nicht aber eine abgestufte Inspiration. Die Apostel waren mehr erleuchtet als David, und dieser war wiederum mehr erleuchtet als Bileam. Aber die Worte, die wir in der Schrift von Bileam, David und Paulus vorfinden, sind alle gleich inspiriert, gleich göttlich und von gleicher Autorität.

Merkmale der Inspiration

Wir haben nun auf drei Aspekte der Inspiration hingewiesen (Gott als Autor, das menschliche Werkzeug und das geschriebene Resultat); ferner erklärten wir die Unterschiede zwischen Inspiration einerseits und Offenbarung plus Erleuchtung andererseits. Wir wollen jetzt etwas näher auf die Art und die Charaktereigenschaften der Inspiration eingehen und erläutern zuvor zwei Hauptmerkmale:

  1. Die Inspiration ist wörtlich, das heißt, die einzelnen Wörter des ursprünglich geschriebenen Bibeltextes sind von Gott inspiriert;
  2. Die Inspiration ist allumfassend, das heißt, jeder Teil des Bibeltextes ist von Gott inspiriert.

Anmerkung: Diese zwei Merkmale zusammen bedeuten, dass jedes Wort des ursprünglich geschriebenen Bibeltextes inspiriert ist; wir sprechen hier nachdrücklich über den „ursprünglich geschriebenen“ Text, weil in den späteren Handschriften und Übersetzungen Fehler vorkommen können. Was lehrt die Bibel selber über ihre wörtliche Inspiration? Sie macht sehr deutlich, dass nicht nur ihr Inhalt (ihre Botschaft, ihr kerygma = Verkündigung), sondern auch ihre Form (ihre Wörter) von Gott inspiriert ist. Im Alten Testament lesen wir mehrere hundert Male, dass das Wort des Herrn (Jahwe) zu den Propheten kam. Mose schrieb alle Worte Jahwes nieder (2. Mose 24,4 „Und Mose schrieb alle Worte des HERRN nieder. Und er machte sich frühmorgens auf und baute einen Altar unten am Berg und zwölf Gedenksteine nach den zwölf Stämmen Israels.“). David sagte: „Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und sein Wort ist auf meiner Zunge“ (2. Samuel 23,2). Und zum Propheten Jeremia sprach Jahwe: „Tritt in den Vorhof am Hause des Herrn und predige denen, die aus allen Städten Judas hereinkommen, um anzubeten im Hause des Herrn, alle Worte, die ich dir befohlen habe, ihnen zu sagen, und tu nichts davon weg“ (Jeremia 26,2). Das waren dieselben Worte, die Jeremia später in ein Buch schreiben musste: „Nimm eine Schriftrolle und schreibe darauf alle Worte, die ich zu dir geredet habe über Israel, über Juda und alle Völker von der Zeit an, da ich zu dir geredet habe, nämlich von der Zeit Josias bis auf diesen Tag“ (Jeremia 36,2). Im Neuen Testament ist es ebenso. Wir sahen schon in 1. Korinther 2,13 „die wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern in Worten, gelehrt durch den Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel.“, dass die Inspiration „nicht mit Worten, welche menschliche Weisheit lehren kann“, geschieht, „sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Sachen für geistliche Menschen“. In Offenbarung 22,19 „und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Weissagung wegnimmt, so wird Gott sein Teil wegnehmen von dem Baum des Lebens und aus der heiligen Stadt, wovon in diesem Buch geschrieben ist.“ warnt Johannes: „Und wenn jemand etwas davon tut von den Worten des Buches dieser Weissagung, so wird Gott abtun seinen Anteil vom Baum des Lebens.“ Und letztlich bezeugt uns der Herr Jesus in Matthäus 5,18 „Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.“ selber, dass diese wörtliche Inspiration sogar Buchstaben und Lesezeichen unantastbar macht: „Denn ich sage euch wahrlich: Bis dass Himmel und Erde vergehe, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüpfelchen vom Gesetz, bis dass es alles geschehe.“

Ebenso souverän bezeugt die Schrift in 2. Timotheus 3,16 „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“ von sich selbst, dass ihre Inspiration allumfassend ist und dass kein Teil der Bibel davon ausgeschlossen ist: „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Aufdeckung der Schuld, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit.“ Darum kann Paulus in Römer 15,4 „Denn alles, was zuvor geschrieben worden ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben.“ schreiben:

Röm 15,4: Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf dass wir durch Geduld und den Trost der Schrift die Hoffnung festhalten.

So verstehen wir auch die unverbrüchliche Einheit der Schriften, die deswegen zusammengefasst werden können als „die Schrift“ (Einzahl!), über die Jesus in Johannes 10,35 „Wenn er diejenigen Götter nannte, an die das Wort Gottes erging (und die Schrift kann nicht aufgelöst werden),“ sagte: „Und die Schrift kann doch nicht gebrochen werden.“ Die allumfassende Inspiration der Schrift macht sie zu einem unverbrüchlichen, einzigen Ganzen, so dass es absolut nicht gestattet ist, auch nur etwas von ihren Worten hinwegzutun oder hinzuzufügen (vgl. 5. Mose 4,2 „Ihr sollt nichts hinzutun zu dem Wort, das ich euch gebiete, und sollt nichts davon wegnehmen, damit ihr die Gebote des HERRN, eures Gottes, haltet, die ich euch gebiete.“; Offenbarung 22,18.19 (18) Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand zu diesen Dingen hinzufügt, so wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in diesem Buch geschrieben sind; (19) und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Weissagung wegnimmt, so wird Gott sein Teil wegnehmen von dem Baum des Lebens und aus der heiligen Stadt, wovon in diesem Buch geschrieben ist.“).

Nächster Teil


Aus So entstand die Bibel, CLV, 1992,
von Prof. Dr. W.J. Ouweneel und W.J.J. Glashouwer
www.clv.de


Hinweis der Redaktion:

Die Redaktion von Faszination Bibel ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüfet aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). 

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