Die Bibel
Überlieferung, archäologische Funde, Schreibmaterialien

Willem Johannes Ouweneel

© CLV, online seit: 18.03.2006, aktualisiert: 01.07.2019

Einleitung

Wir finden es heute selbstverständlich, dass wir in ein Geschäft gehen können, um eine gedruckte Bibel zu kaufen. Das war aber nicht immer so. Jahrhundertelang mussten sich die Christen in Europa, wenn sie etwas aus der Bibel erfahren wollten, mit Darstellungen von Holzschnitzereien, Glasmalerei an Kirchenfenstern und Wundererzählungen begnügen. Ansonsten mussten sie mit dem Brauch zufrieden sein, dass ihnen die Bibel in der Kirche vorgelesen wurde (gewöhnlich in Latein) – genau wie die Juden mit ihren Vorlesungen der heiligen Gesetzrollen in den Synagogen und ihren Talmudstudien (siehe Kap. 3). Die Bibel war dem gewöhnlichen Volk nicht zugänglich. Das kam natürlich auch daher, dass es nur wenige Bibeln gab, weil sie ausschließlich von Hand durch Abschreiben vervielfältigt werden mussten. Wir können uns heute kaum vorstellen, dass ein Buch, von dem die ältesten Teile mindestens 3400 Jahre alt sind, während 85 % dieser Zeit nur von Hand kopiert wurde!

Wenn wir sagen, dass die ältesten Teile der Bibel mindestens 3400 Jahre alt sind, dann bedeutet das, dass die Bibel zu der Zeit entstand, als das Volk Israel nach seinem spektakulären Auszug aus Ägypten bei dem Berg Sinai (in der jetzigen Wüste Sinai) angekommen war. Der große Führer des Volkes, Mose, stieg auf den von Feuer und Rauch verhüllten Berg und blieb dort 40 Tage (und später noch einmal 40 Tage). Dort sprach er, wie die Bibel berichtet, mit Jahwe, dem Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat und der nun auf diesem Berg mit Israel einen Bund schloss. Uns interessiert vor allem, zu erfahren, was Gott nach 2. Mose 34,27 dort zu Mose redete: „Schreib dir diese Worte auf; denn auf Grund dieser Worte habe ich mit dir und mit Israel einen Bund geschlossen!“ [Alle Bibelstellen sind nach Luther, revidierte Fassung 1956/64, zitiert.] Mose hatte vorher schon einmal – gleichfalls am Sinai – einen derartigen Auftrag bekommen (2. Mose 17,14) und ihn ausgeführt: Alle Worte von Jahwe schrieb er in das „Buch des Bundes“ (2. Mose 24,4.7). Wir können auch nachlesen, dass Mose während der 40-jährigen Wüstenwanderung wiederholt die Reise und das Ergehen des Volkes beschreibt (4. Mose 33,2). Ebenso schrieb er ihre Gesetze nieder in ein Buch (5. Mose 31,9.19.22.24-26).

Wer schrieb den Pentateuch?

Wenn wir die vielen Hypothesen der modernen Theologie (die z.B. die Mosebücher als viel jünger einschätzt) beiseitelassen und einfach die Aussagen ernst nehmen, die die Bibel selber zu diesem Thema macht, dann können wir nur zu dem Schluss kommen, dass Mose selbst den Pentateuch, d.h. die fünf Bücher Mose, wie wir sie in unserer Bibel haben, geschrieben haben muss. Wer das bezweifelt, muss schon starke Argumente haben, um gegen die deutlichen Aussagen der Bibel anzugehen. Zahllose Teile in diesen Büchern wurden zu Mose persönlich gesprochen, und wir lesen – wie gesagt – wiederholt, dass Mose die Worte Gottes in Bücher niederschrieb (was nicht ausschließt, dass er sie anderen diktiert haben kann oder dass ein Überarbeiter später einige Verse hinzufügte, wie z.B. 4. Mose 12,3 und 5. Mose 34).

Mose eignete sich hervorragend dazu. Durch seine Erziehung war er ein gebildeter Mann (vgl. Apostelgeschichte 7,22) und hatte (im Gegensatz zu eventuellen späteren Autoren in Palästina) eine genaue Kenntnis des Klimas und der Geographie Ägyptens und der Wüste Sinai (die fünf Bücher Mose sprechen für sich selbst). Außerdem war Mose vertraut mit der früheren Geschichte der Hebräer (der Vorväter Israels). In seiner Funktion als politischer und geistlicher Führer der zwölf Stämme Israels war er der richtige Mann, diese Bücher zu schreiben. Auch hatte er während der 40 Jahre des Umherziehens in der Wüste genügend Zeit dafür. Auch die späteren Teile der Bibel nennen deutlich Mose als Autor: siehe zum Beispiel Josua 8,31-34; 23,6; 1. Könige 2,3; 2. Chronika 25,4; 35,12; Nehemia 8,2; Markus 12,19. Auch die Apostel (z.B. Römer 10,5) und Jesus selbst (siehe vor allem Johannes 5,45-47) schrieben die Geschichtsbücher ausdrücklich Mose zu. Auch die frühchristliche und jüdische Tradition (siehe die apokryphen Bücher, den Talmud und Geschichtsschreiber wie Philo und Flavius Josephus) bezeugen das. Zudem geht die Verfasserschaft Moses aus Schriften der verschiedenen Kirchenväter und den alten kanonischen Listen hervor.

Den Behauptungen bestimmter moderner Theologen, der Pentateuch sei beinahe 1000 Jahre später geschrieben, steht zum Beispiel der interessante Befund gegenüber, dass die literarische Struktur des fünften Buches Mose (Deuteronomium) und die Form der Unterweisungen kennzeichnend sind für das zweite Millennium (2000–1000) vor Christus und gerade nicht für das erste Millenium. Das hat sich auch unter anderem durch Vergleiche mit Informationen aus hethitischen Archiven herausgestellt. Der ganze Stil und geographische Wortgebrauch entsprechen der Zeit Moses. In der Beschreibung des Zuges durch die Wüste finden wir allerlei Einzelheiten, die für das reisende Volk Israel von großer Bedeutung waren (wie z.B. die Formierung des Zuges und die Art und Weise des Lagerns; 5. Mose 1–4 und 10). Wer würde sich angesichts solcher genauen Beschreibungen vorstellen können, dass ein Autor 800 Jahre später diese so genau und ausführlich beschrieben hätte? Auch allerlei beschriebene, typisch ägyptische Merkmale, sei es in Geographie (4. Mose 13,22) oder Wortgebrauch, wären praktisch nicht zu erklären; es sei denn, man geht davon aus, dass ein Autor schreibt, der aus dem zweiten Millennium umfangreiches Wissen über Ägypten hat. Das Vorkommen sehr alter Gebräuche (wie der Bundesschluss in 1. Mose 15) und antiker hebräischer Buchstabierung weist ebenfalls auf ein sehr hohes Alter hin.

Abweichende Auffassungen

Nun wird sich manch einer fragen, wieso es wichtig ist, ob der Pentateuch (die fünf Bücher Mose) 1000 Jahre älter oder jünger ist und ob Mose oder irgendein anderer frommer Israelit der Autor ist. An sich ändert diese Frage nichts am Wert des Pentateuchs. Dennoch haben wir es hier mit einer fundamentalen Frage zu tun. Denn wenn die Bibel selbst so deutlich für die Verfasserschaft Moses plädiert, dann fragt man sich doch, warum die meisten Theologen heute glauben, diese Tatsache sei nur eine fromme Legende. Sie meinen, diese Bücher seien viele Jahrhunderte später entstanden als Produkt zunehmender Aufzeichnungen allerlei (sich oft widersprechender) mündlicher Überlieferungen, die nur religiöse Bedeutung, historisch aber wenig Gewicht hätten.

Wir müssen diese Theorien hier aufführen, weil sie in der modernen Theologie eine so große Rolle spielen. Später werden wir noch ausführlicher darauf zurückkommen. Für den Augenblick genügt es uns, zu betonen, dass wir diese Theorien ablehnen, weil sie nicht auf exegetischen und hermeneutischen Argumenten beruhen, sondern vielmehr auf einer Art philosophisch-spekulativen Denkens aus der Zeit der Aufklärung (18. Jhdt). Dieses rationalistische Denken beeinflusste unsere ganze Kultur und schließlich auch die Theologie. Dieser Einfluss äußerte sich vor allem auf zweierlei Weise. Erstens durch Ablehnung alles Übernatürlichen. Der Gedanke der „Inspiration“, das Reden Gottes und die Wunder der Bibel wurden damit in das Reich der Fabel verwiesen. Man wollte den Menschen glauben machen, dass Wunder „unwissenschaftlich“ seien. Wir werden aber später sehen, dass dies ein Missverständnis ist. Ob man an Wunder glaubt oder nicht, ist ein philosophisches oder religiöses Problem, das nichts mit Naturwissenschaft zu tun hat.

Die zweite Auswirkung des „aufgeklärten“ Denkens in der Theologie war die Evolutionstheorie, die ein anderes Licht auf die Entstehung der Welt und des Menschen, aber auch auf die religiöse Entwicklung warf. Die Geschichte und Religion Israels wurde von vielen Theologen nunmehr evolutionistisch interpretiert; das taten sie, weil sie meinten, dies der neuen Entwicklung der Naturwissenschaft schuldig zu sein. Als Nicht-Biologen hatte sie, sicherlich in dem ersten stürmischen Aufkommen der Evolutionstheorie, Mühe damit, Philosophie von Wissenschaft und Thesen von Tatsachen zu unterscheiden. Auch nach Aufkommen der Neo-Orthodoxie, einer Reaktion auf den Modernismus, der im 19. Jahrhundert aufkam, beharrten viele Theologen gegenüber der Öffentlichkeit darauf, dass das moderne wissenschaftliche Weltbild den „modernen" Menschen veranlassen müsste, sein traditionelles Verständnis über die Entstehung und den Inhalt des ersten Buches Mose gänzlich zu revidieren.

So viel darüber im Moment. Zusammen mit Tausenden Naturwissenschaftlern und Theologen der ganzen Welt sind wir überzeugte Gegner dieses Anti-Supernaturalismus (Ablehnung alles Übernatürlichen) und der Evolutionstheorie, und wir haben nicht das geringste Bedürfnis, die traditionelle, auf die Bibel gestützte Schau über Genesis (1. Buch Mose) und den Rest des Pentateuchs preiszugeben! Außerdem wissen wir, dass wir in dieser Hinsicht die Archäologie auf unserer Seite haben. Wir haben heute zahllose archäologische Hinweise auf das hohe Alter des Pentateuchs, wie wir oben schon gesagt haben. Die Archäologie hat uns zum Beispiel Informationen verschafft über das Alter der literarischen Struktur der Bücher des Pentateuchs und hat uns auch sehr viel erzählt über den historischen und kulturellen Hintergrund des Zeitalters, das in der Genesis beschrieben wird. Dadurch wissen wir, dass die Geschichten der Erzväter nicht legendären Charakter haben. Auch hat sie uns, durch viele Parallelen mit den Gesetzen anderer alter Völker des Altertums, das hohe Alter des Pentateuchs bestätigt.

Archäologische Funde

Der jüngste Fund auf diesem Gebiet ist auch zugleich der interessanteste. Er ist dermaßen aufschlussreich, dass er die Entdeckungen der Qumranrollen vielleicht sogar noch übertrifft! Im Jahre 1975 entdeckte ein Team italienischer Archäologen nach jahrelangem Suchen in Tell Mardich (Syrien) 15.000 Tontafeln, die aus dem alten Königreich Ebla stammen – also aus der Zeit vor Abraham (2400–2250 v.Chr.). Diese Funde vermitteln uns ein Bild der kanaanitischen Welt, das genau mit dem der Bibel übereinstimmt. Die Tontafeln nennen Namen von Personen, die auch in der Bibel vorkommen (wie Eber, Israel, Abraham), und zeigen damit, dass Abrahams Vorvater Eber (1. Mose 11,14-17) gar keine legendäre Person zu sein braucht, wie es die meisten Theologen heute glauben. Die Tafeln enthalten sogar eine Schöpfungs- und Sintflutgeschichte, die viele Jahre älter sein kann als die des Mose. Im Augenblick ist diese Geschichte für uns aus zwei Gründen wichtig. Erstens ist es eine erneute Bestätigung, dass die Schreibkunst bedeutend älter ist, als man früher meinte. Als die Pentateuchkritik aufkam, war man der Meinung, dass die Menschen zur Zeit Moses nicht oder kaum schreiben konnten (obwohl Richter 8,14 zeigt, dass sogar ein Knabe die Schreibkunst beherrschte). Heute aber wissen wir, dass diese Stütze der Bibelkritik weder Hand noch Fuß hat. Schon Jahrhunderte vor Abraham beherrschte man die Kunst des Schreibens, das haben viele Funde in Sumer, Ägypten und Babel und jetzt wieder in Ebla überzeugend nachgewiesen. Eines der schwerwiegenden Argumente dafür, dass Mose niemals den Pentateuch geschrieben haben könne, hat sich damit als unbegründet erwiesen.

Es ist der Mühe wert, dass wir uns mit der Frage befassen, wie die Bibelkritiker aus dem vorigen Jahrhundert zu der Überzeugung kamen, die Kunst des Schreibens sei Jahrhunderte jünger als sie tatsächlich ist. Es war eine einfache Konsequenz des evolutionistischen Denkens. Man war davon überzeugt, dass die Menschen und Völker um so primitiver sein würden, je weiter man in die Vergangenheit zurückging. Kennzeichen einer hohen Kultur, wie zum Beispiel die Schreibkunst und der Monotheismus, durften deshalb nur verhältnismäßig jung sein. Die Evolutionisten staunten aber nicht schlecht, als sie entdeckten, dass die ältesten sumerischen und ägyptischen Kulturen schon außergewöhnlich hoch entwickelt waren und eine verhältnismäßig weit entwickelte Geometrie, Architektur, Astronomie, Technologie und Kunst kannten. Noch erstaunlicher war die Entdeckung, dass diesen hohen Kulturen keine langsam wachsende kulturelle Evolution vorangegangen war, sondern dass sie wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Für diejenigen, die aus wissenschaftlichen Gründen die Evolutionstheorie abweisen und an der historischen Glaubwürdigkeit von 1. Mose 1–11 festhalten, ist das kein Problem, weil für sie diese alten Kulturen einfach die kulturellen Leistungen sind, die kurz nach der weltweiten Sintflut anzutreffen sind. Bei einer richtigen Handhabung wissenschaftlicher Datierungsmethoden stellt sich heraus, dass die primitiven Zeiten, die diesen Kulturen vorangegangen sein sollen, wegfallen. Darüber später mehr (siehe Kap. 7 und 8 und den 2. Teil dieser Buchreihe).

Die Funde, die 1975 in Tell Mardich gemacht wurden, sind aber auch noch aus einem zweiten Grund sehr wichtig. Sie zeigen, dass ähnliche Geschichten, wie wir sie in Genesis finden, schon Jahrhunderte bevor Mose lebte, auf Tontafeln festgehalten worden sind. Das wiederum wirft ein überraschend neues Licht auf eine schon etwas ältere, interessante Theorie von P.J. Wisemann (Entdeckungen über 1. Mose, De Haan, Groningen 1960): Aufgrund allerlei literarischer Kennzeichen des ersten Buches Mose kam er zu dem Schluss, dass dieses Buch wahrscheinlich ursprünglich in einer sehr alten Schrift auf Tontafeln geschrieben wurde, und zwar von den Erzvätern selber, die am besten Bescheid wussten über alle Geschehnisse. Mose würde dann das Buch, wie wir es heute vor uns haben, zusammengestellt haben. Er selber würde in dem Buch andeuten, aus welchen Quellen er geschöpft habe, zum Beispiel durch den Satz: „Dies ist die Geschichte (= Geschlechtsregister, die Nachkommenschaft usw., hebr. toledot) von …“ Das können wir unter anderem in 1. Mose 2,4; 5,1; 6,9 und 10,1 sehen; hier würden dann immer Anfang oder Ende einer Tontafel angedeutet. Wegen der guten wissenschaftlichen Grundlage dieser Theorie und der damit verbundenen Lösung vieler Probleme glauben wir, dass sie sehr wichtig ist, vor allem im Blick auf die vor kurzem gefundenen Tontafeln. Aber hierauf wollen wir später noch eingehen.

Schreibmaterialien

Es wäre also möglich, dass die Entstehung der Bibel schon viele Jahrhunderte vor Abraham angefangen hat mit der Schilderung der ältesten Geschichten auf Tontafeln. In solche Tafeln wurden mit einem scharfen Gegenstand Schriften eingraviert. Danach wurde der Ton getrocknet und somit haltbar gemacht (vgl. Jeremia 17,13; Hesekiel 4,1). Dieses Material war außerordentlich haltbar, bedeutend besser als der Papyrus, der von jeher als Schreibmaterial benutzt wurde. Papyrus war allerdings viel praktischer. Die Papyrusstaude wuchs in den flachen Seen und Flüssen Ägyptens und Syriens. Große Schiffsladungen Papyrus wurden über den syrischen Hafen Byblos versandt, und man vermutet, dass von diesem Wort das griechische Wort biblos oder bublos abgeleitet wurde, das so viel wie „Papyruspflanze“ und auch „Papier, Schriftstück, Buch, Brief“ bedeutet. Für letztere Bedeutungen wird normalerweise biblion gebraucht (vgl. „Bibliothek“). Die Mehrzahl heißt biblia („Bücher“). Davon wurde das Wort „Bibel“ abgeleitet. Und von „Papyrus“ stammt unsere Bezeichnung „Papier".

Die Papyrus-Rohre wurden enthäutet und in lange Streifen geschnitten, danach geglättet und in zwei Lagen (übereinander gelegt) zusammengepresst. Wenn das Material getrocknet war, wurde die weiße Oberfläche mit einem Stein glattpoliert. Wir begegnen dem Papyrus („Rohr“) in 2. Mose 2,3; Hiob 8,11 und Jesaja 18,2 – jedoch nicht als Schreibmaterial. Wohl aber finden wir in 2. Johannes 12 das griechische Wort chartes (vgl. „Charta“); damit wurde ein Blatt Papier bezeichnet, das aus Papyrus gemacht wurde. Man schrieb auf diesem „Papier“ mit Tinte und einer Feder, die aus einem Stück Rohr hergestellt und mit einem Messer angespitzt wurde (vgl. Jeremia 8,8; 36,23 und 3. Johannes 13). Die Idee des Schreibens mit der Gänsefeder scheint von den Griechen im 3. Jahrhundert v.Chr. zu stammen. Beschriftete Papyrusblätter wurden aneinandergeklebt und danach auf einen Stock gerollt. So entstand eine „Buchrolle“, meistens einseitig, aber manchmal auch beidseitig beschrieben (Offenbarung 5,1). Im Durchschnitt war so eine Rolle etwa 6 bis 10 Meter lang, es sind uns aber auch Rollen mit einer Länge von mehr als 40 Metern bekannt!

Bis zum 7. Jahrhundert n.Chr. gebrauchte man den Papyrus; danach machte die Eroberung Ägyptens durch die Araber dem Gebrauch dieses Schreibmaterials ein Ende. Aber schon Jahrhunderte vorher war der Gebrauch eines anderen Materials üblich geworden, nämlich des Pergaments. Im Griechischen heißt es membrana (vgl. unser Wort „Membrane“), während das Wort „Pergament“ von dem Namen des Ortes Pergamon in Kleinasien stammt (vgl. Offenbarung 2,12). Hier wurde dieses Material eine Zeitlang angefertigt. Pergament wurde aus den geschorenen und gegerbten Häuten der Schafe, Ziegen, Antilopen und anderer Tiere hergestellt. Pergament aus Kalbsleder nannte man vellum. Man färbte Vellum oft in Purpurfarbe, um darauf dann mit Gold oder Silber zu schreiben. Verschiedene solcher kostbaren Bibelhandschriften auf Vellum sind bekannt. Zur Zeit des Neuen Testaments gebrauchte man Pergament hauptsächlich für wertvolle Dokumente, weil es haltbarer und kostbarer als Papyrus war. In 2. Timotheus 4,13 bittet der Apostel Paulus den Timotheus, ihm seinen Mantel mitzubringen und auch die „Bücher“, vor allem aber die „Pergamente“. Es handelt sich hier also um Buchrollen, teils aus Papyrus, teils aus Pergament (vielleicht waren die Letzteren kostbare Dokumententeile des Alten Testaments). Nicht lange nach der apostolischen Zeit, im 3. Jahrhundert n.Chr., kam eine ganz neue Buchform in Gebrauch (der Codex), ein Buch mit Seiten, so wie wir es kennen. Die Blätter aus Papyrus oder Pergament wurden nun beidseitig beschrieben und wie Blätter eines Buches zusammengefügt. Manche meinen, dass die schnelle Verbreitung des Christentums und der große Bedarf an Schrifttum zu der Entwicklung dieser handlicheren Buchform führten.

Außer an der Art oder an dem Zustand des Schreibmaterials kann das richtige Alter einer Buchrolle oder eines Codex auch an der benutzten Schreibmethode gemessen werden, nämlich an der Größe und Form der Buchstaben, den Lesezeichen, der Einteilung des Textes und dem Schreibschmuck. Hinsichtlich der benutzten Buchstabentypen unterscheidet man das Schreiben in Unziale oder Majuskel (Großbuchstaben) und Minuskel (Kleinbuchstaben) oder aber in Druckschrift oder Schreibschrift. Die Manuskripte, in denen diese Buchstaben enthalten sind, nennt man auch Unzial- beziehungsweise Minuskelschriften. Seit dem neunten Jahrhundert wurden die Unzialschriften bald von den Minuskelschriften verdrängt. Ein anderes typisches Kennzeichen der Schreibweise auf den Manuskripten (oder „Handschriften“) ist, dass sowohl die griechischen als auch die hebräischen Handschriften fortlaufend geschrieben wurden, also ohne Absätze zwischen den einzelnen Wörtern. Außerdem wurden die hebräischen Handschriften bis ca. 900 nach Chr. ohne Selbstlaute (Vokale) geschrieben.


Aus So entstand die Bibel
von Prof. Dr. W.J. Ouweneel und W.J.J. Glashouwer
www.clv.de


Hinweis der Redaktion:

Die Redaktion von Faszination Bibel ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüfet aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). 

Bibeltexte im Artikel anzeigen