Was ist eigentlich Intelligent Design (ID)?

Alexander vom Stein

© Daniel-Verlag, online seit: 18.03.2018, aktualisiert: 26.09.2020

Leitverse: Römer 1,19.20 (19) weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, denn Gott hat es ihnen offenbart – (20) denn das Unsichtbare von ihm wird geschaut, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden –, damit sie ohne Entschuldigung seien,“

Röm 1,19.20: Das von Gott Erkennbare ist unter ihnen offenbar, denn Gott hat es ihnen offenbart – denn das Unsichtbare von ihm wird geschaut, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden.

Die aktuelle Diskussion über ID

Diese Verse aus dem Römerbrief werden in jüngster Zeit häufig angeführt, um einen Ansatz biblisch zu begründen, der zunehmend an Bedeutung gewinnt: Intelligent Design. Dass die Schöpfung etwas von der Größe und Macht des Schöpfers zeigt, scheint selbstverständlich zu sein und wird seit jeher von allen vertreten, die an Ihn glauben. Wie kommt es nun, dass sich um diesen Sachverhalt eine Debatte entfacht, die in den letzten Monaten immer wieder für Schlagzeilen gesorgt hat?

Die ID-Bewegung in den USA

Das neu erwachte Interesse an der „Handschrift des Schöpfers“ wird vor dem Hintergrund der amerikanischen Rechtssprechung verständlich. Unter Berufung auf die verfassungsmäßig garantierte Trennung von Kirche und Staat konnten die Verfechter der naturalistischen Evolutionstheorie in mehreren Gerichtsverhandlungen Urteile durchsetzen, in denen festgeschrieben wurde, dass der biblische Schöpfungsbericht im naturwissenschaftlichen Unterricht keinen Platz hat. Als Reaktion darauf formierte sich in den USA die ID-Bewegung. Ihr Anliegen ist es, darauf hinzuweisen, dass in der Natur Kennzeichen erkennbar sind, die auf intelligente Planung, Absicht und Zielorientierung eines Urhebers hinweisen. Solche Merkmale werden als „Design-Signale“ bezeichnet. Wer diese Signale akzeptiert, erkennt damit an, dass Zufall und naturgesetzliche Abläufe keine ausreichende Erklärung für ihre Entstehung liefern. Damit wird die Tür zur Suche nach dem Urheber aufgestoßen. Die Frage „Wer ist der Designer?“ wird allerdings bewusst ausgeklammert, um die strikte Trennung von Wissenschaft und Glauben durchzuziehen.

Wie lassen sich Design-Signale erkennen?

Paulus stellt im Römerbrief einfach die Tatsache fest, dass die Existenz des Schöpfers, seine Göttlichkeit und seine ewige Kraft in der Schöpfung wahrgenommen werden können. Er führt nicht aus, woran sich diese Wahrnehmung festmachen lässt. Da es nicht um persönliche Erkenntnis, sondern um objektive Festlegungen gehen soll, suchte man an dieser Stelle nach wissenschaftlichen Kriterien, die überprüft werden können.

Der englische Theologe WILLIAM SAMUEL PALEY (1763–1805) gilt als der Vater des modernen Design-Arguments. Er wählte eine technische Analogie, um die Sache auf den Punkt zu bringen:

Finde ich draußen auf dem Feld eine Taschenuhr, so denke ich keine Sekunde darüber nach, ob sie wohl von selbst entstanden sei. Selbst wenn ich keine blasse Ahnung von der Kunst des Uhrmachers habe, so erkenne ich an ihrem komplizierten Aufbau sofort, dass sie das Produkt intelligenter Planung und kunstfertigen Handwerks ist.[1]

Dieser Vergleich ist auf den ersten Blick einleuchtend. Menschen, Tiere, Pflanzen, ja sogar jede einzelne ihrer Zellen sind in Aufbau und Funktion um Größenordnungen komplizierter als eine Taschenuhr. Allerdings behauptet niemand, einen Prozess zu kennen, durch den sich Taschenuhren von selbst entwickeln, während die zufällige Entwicklung von Lebewesen für möglich gehalten und in der Evolutionstheorie gelehrt wird. Intuitiv können wir kaum beurteilen, ob solch ein Vorgang denkbar ist (immerhin sollen dafür viele Millionen Jahre Zeit zur Verfügung gestanden haben).

Irreduzible Komplexität

Ein Vordenker der ID-Bewegung, der Biochemiker MICHAEL BEHE, machte das Konzept der irreduziblen Komplexität weithin bekannt. Als irreduzibel bezeichnet man Systeme, die aus mehreren Teilen bestehen, die alle voneinander abhängig sind und nur gemeinsam ein funktionsfähiges Ganzes bilden. Solche Systeme können also nicht vereinfacht werden, ohne ihre Funktionsfähigkeit zu verlieren (das bedeutet „irreduzibel“), und daher ist ihre evolutive Entstehung aus einfacheren Vorstufen kaum denkbar.

Im Prinzip trifft dieses Kriterium schon für ganz simple Konstruktionen zu – häufig zitiertes Beispiel ist eine fünfteilige Mausefalle –, wie viel mehr dann erst für biologische Zusammenhänge. 

Komplexe, spezifische Information

Die irreduzible Komplexität steht aktuell im Mittelpunkt der Diskussion. Es gibt aber noch eine Reihe weiterer Typen von Design-Signalen. Ein anderer Begründer der ID-Bewegung, der Mathematiker, Philosoph und Theologe WILLIAM DEMBSKI, betont die Bedeutung „spezifizierter Komplexität“:

Ein einzelner Buchstabe des Alphabets ist spezifisch (eindeutig festgelegt), aber nicht komplex. Ein langer Satz aus zufällig zusammengewürfelten Buchstaben ist komplex, aber nicht spezifisch. Ein Gedicht von Shakespeare ist beides, komplex und spezifisch.[2]

Eine Kombination spezifizierter Elemente zu komplexen Systemen ist durch Zufallsereignisse nicht zu erwarten und ist folglich ein Design-Signal. Am naheliegendsten kann das Prinzip auf die DNA, die Erbinformation, angewandt werden. Deswegen wird dieses Kriterium meistens als „komplexe spezifische Information“ (CSI) angeführt. (Prof. Dr. WERNER GITT verfolgt mit seinem „Informationsmodell“ die gleiche Stoßrichtung.)

Weitere Design-Signale

Weniger beachtet wird das Design-Signal extravagante Komplexität. Häufig lassen sich in der Schöpfung Konstruktionen erkennen, die extravagant erscheinen, weil sie komplizierter ausgeführt sind, als es ihre Funktion erfordert. Auch die polyvalente Komplexität, die Vielfalt genetischer Programme, die sich unter bestimmten Bedingungen entfaltet und Organismen die Anpassung an einen veränderten ökologischen Rahmen ermöglicht, wird seltener diskutiert.

In Physik und Kosmologie spielt das Argument des fein abgestimmten Universums (engl. FTU, fine-tuned universe) eine Rolle in der ID-Diskussion. Es ist eine bekannte Tatsache, dass ein Universum, in dem Leben in der uns bekannten Form möglich ist, schon bei geringfügig veränderten Naturkonstanten nicht existieren könnte. Es erscheint nicht plausibel, ein zufälliges Zusammentreffen dieser Belege anzunehmen. (Dieses Argument kann allerdings mit einem Multiversen-Modell entkräftet werden. Man nehme einfach an, dass es unzählige Universen gäbe. Vielleicht existiert dann tatsächlich nur in unserem so etwas wie Leben, aber der Eindruck von Zufälligkeit entstünde nur beim staunenden Beobachter.)

Die aktuelle Diskussion über ID

Im Rahmen dieses Artikels kann die wissenschaftliche Kritik am ID-Konzept und ihre Entgegnung nicht ausführlich beschrieben werden. Wer jedoch daran interessiert ist, findet im Internet unter www.genesisnet.info eine sehr gute Arbeit dazu.

Wir können festhalten, dass der ID-Ansatz es ermöglicht, Sachverhalte sehr konkret darzustellen, die einer zufälligen Evolution widersprechen. Je mehr die Kenntnis über Aufbau und Funktion lebender Organismen zunimmt, desto stärker wird die ID-Position. Für Darwin war die lebende Zelle noch eine „Black Box“ (so das Bild und der Titel von BEHES grundlegendem Buch zu ID), er hatte keinen blassen Schimmer davon, was da im Inneren alles passiert. Heute erweist sich die Vielfalt der biochemischen Abläufe darin als so komplex, dass es bisher aussichtslos erscheint, sie in ihrer Vielfalt zu begreifen, darzustellen oder zu simulieren. Die Evolutionstheorie muss vor einem völlig neuen Hintergrund vertreten werden. Je deutlicher die Widersprüche zutage treten, desto gereizter wird das Klima der Auseinandersetzung (sie findet daher zunehmend weniger auf einer sachlichen Ebene statt).

So sehr die ID-Bewegung den Vertretern naturalistischer Evolution zu schaffen macht – wir sollten uns bewusst sein, dass es auch mit diesem Vorgehen nicht möglich ist, den Schöpfer zu „beweisen“. Wer die Verse im Römerbrief weiterliest, sieht, dass die Menschen „Gott kennend, ihn weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten, sondern in ihren Überlegungen in Torheit verfielen und ihr unverständiges Herz verfinstertet wurde. Indem sie sich für Weise ausgaben, sind sie zu Toren geworden.“ Die hier beschriebene (historische) Entwicklung findet heute noch in Menschen statt, die Gott zwar erkennen können, Ihn aber nicht anerkennen (auch wenn sich das heute nicht in der Verehrung materieller Götzen äußert, sondern viel subtiler).

Ich finde es gut, dass durch das ID-Konzept eine Möglichkeit besteht, Menschen zum Nachdenken zu bringen und auf den Schöpfer hinzuweisen. Eine gewisse Gefahr besteht darin, die Möglichkeiten einer streng wissenschaftlich geführten ID-Argumentation zu überschätzen. Letztlich überschreitet die Wissenschaft bei der Untersuchung der Ursprungsfrage immer irgendwo ihre Reichweite. Selbst wenn der Rückschluss auf den Designer einwandfrei belegt werden könnte, stellt sich doch die Frage nach dessen Ursprung („Wer schuf den Schöpfer?“). Gottes ewige Existenz und seine unendliche Größe können nur im Glauben angenommen werden. Somit wird auch durch die besten wissenschaftlichen Argumente Hebräer 11,3 „Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist.“ nicht ungültig: „Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist.“

Eine weitere Gefahr sehe ich darin, dass man bei der allgemeinen Anerkennung eines Designers stehenbleibt, ohne nach seiner Identität zu fragen. Die bloße Erkenntnis, dass es Gott gibt, errettet noch niemanden: „Du glaubst, dass Gott einer ist, … auch die Dämonen glauben und zittern“ (Jak 2,19). In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und im öffentlichen Lehrbetrieb hat dieses Vorgehen seinen Platz. Im persönlichen Gespräch sollte es aber das Ziel sein, auf Jesus Christus hinzuweisen, der nicht nur der Schöpfer ist, sondern auch der Erlöser.

„Der Zufall entwirft keine Pläne.“
                            Dr. Norbert Pailer


Erschienen in komm und sieh, Ausgabe 1/2005
www.daniel-verlag.de

Anmerkungen

[1] Frei übersetzt nach: William Paley, Natural Theology, 1802, Kap. 1.

[2] Frei übersetzt nach: William Dembski, Intelligent Design, 1999, S. 147.


Hinweis der Redaktion:

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